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Technische Rundschau

«Der Geist ist schon lange aus der Flasche»

Während Professor Stefan Grätzer an der OST – Ostschweizer Fachhochschule den Kompetenzbereich Industrielle Automation leitet, verantwortet sein Kollege Professor Dario Schafroth den Kompetenzbereich Autonome Systeme. Beide werden dazu beitragen, dass die Swiss Automation 2023 am 31. August in Rapperswil erfolgreich über die Bühne geht. Und beide standen der «Technischen Rundschau» bereits im Vorfeld der Veranstaltung für ein Exklusivinterview zur Verfügung – nicht zuletzt einer Terminüberschneidung wegen.

Herr Professor Grätzer, Herr Professor Schafroth, seit wann sind Sie an der OST tätig, und was waren die Highlights in dieser Zeit? 
Professor Grätzer: Ich bin auf das Herbst­semester 2021 an die OST berufen worden. Anfänglich waren die Highlights die vielen aufschlussreichen Gespräche mit meinen neuen Kollegen, welche mit ihrem ausgezeichneten Expertenwissen in den neusten Technologien viele neue Ideen angeregt haben. Natürlich werde ich auch die erste Vorlesung mit den Studierenden nie vergessen. Es ist eine Freude, mit diesen jungen und hoch motivierten Menschen zu arbeiten.
Professor Schafroth: Ich bin seit dem Herbstsemester 2022 an der OST, und eines der Highlights ist die praxisnahe Forschung in Verbindung mit dem regelmässigen Austausch mit den Studierenden.

Was zeichnet die OST aus? 
Grätzer: Mit dem Zusammenschluss der drei ursprünglichen Schulen im Jahr 2020 zur OST sind viele neue Kompetenzen hinzugekommen. Es sind über ein Dutzend Themencluster entstanden, in denen Experten fachübergreifend an aktuellen Fragestellungen arbeiten. Damit nimmt die OST mit transfer­orientierter Forschung und Entwicklung und massgeschneiderten Dienstleistungen eine führende Rolle unter den Schweizer Fachhochschulen ein. Sie trägt damit zur Lösung relevanter gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Fragestellungen verschiedenster Anspruchsgruppen bei. Beispielsweise arbeiten wir am MedTech Lab an der Barriere­freiheit für Personen mit Paraplegie und treiben mit dem DigitalLab die Digitalisierung voran.

An der OST, und speziell am Institut for Lab Automation and Mechatronics, arbeiten Sie mit den neuesten Technologien. Diese werden für die Lösung aktueller Problemstellungen der Gesellschaft und Industrie kombiniert. Dabei geht der Trend von automatischen über autonome bis hin zu intelligenten Systemen. Würden Sie uns hier bitte je ein greifbares Beispiel nennen?  
Schafroth: Zunächst ein paar Worte zu den Begriffen automatisch und autonom: Bei einem automatischen System folgt ein Programm oder eine vorgegebene Sequenz von Anweisungen, die von einem Operator überwacht und gesteuert werden. Im Gegensatz dazu trifft ein autonomes System eigenständig Entscheidungen. Zum Beispiel im Bereich der Unmanned Aerial Vehicles werden heutzutage hauptsächlich automatische Systeme eingesetzt, die vorprogrammierte Routen abfliegen. Jedoch zeichnet sich ein Trend hin zu fliegenden Systemen ab, die ihre Route situativ anpassen oder Aktionen eigenständig durchführen können. Das Gleiche gilt für die Automation, wo Roboter zunehmend Entscheidungen von Menschen übernehmen. Intelligente Systeme gehen in eine ähnliche Richtung wie autonome Systeme. 

An der OST beschäftigen Sie sich mit den Themen Deep Learning, Machine Learning, Regelungstechnik, Navigation, Automatisierung – Stichwort Industrie 4.0 – und Netzwerktechnologien, wie etwa 5G. Was sind in diesen Bereichen aktuell die grössten Herausforderungen, und welche Lösungsansätze gibt es dafür?  
Grätzer: Die unter dem Begriff Künstliche Intelligenz laufenden Technologiebereiche Deep Learning und Machine Learning bergen ein unbeschreibliches Potenzial und lösen gleichzeitig Ängste aus. Werden diese Technologien die menschliche Arbeitskraft überflüssig machen? Die Bedenken sind ähnlich wie vor Jahrzehnten, als die Welle der Robotik über die Industrie rollte. Ich denke, die grösste Herausforderung ist die Akzeptanz neuer Technologien und das Verständnis, was möglich ist und bald möglich sein wird. Die Entwicklung ist brutal rasant und lässt sich nicht mehr stoppen. Der Geist ist schon lange aus der Flasche. Bildung und Weiterbildung sehe ich hier als den einen Ansatz. Der andere sind Projekte und somit ein «Learning by doing» mit unseren Experten in diesen Technologien.

Ihre Lösungen kommen in den Bereichen Unmanned Vehicles, in Smart Farming, Smart Factory, Health, Intelligent Systems und Industrial Automation zum Einsatz. Wo sehen Sie hier die grössten Potenziale? 
Grätzer: Zweifelsohne sehe ich für uns das grösste Potenzial, um Wissen zu schaffen, bei den Unmanned Vehicles. Dabei bewegen wir uns in allen Dimensionen und erledigen die unterschiedlichsten Aufgaben in unterschiedlichen Autonomie-Levels. Die hier entwickelten und verbesserten Technologiebausteine lassen sich auch in Lösungen der Industriellen Automation, Robotik, Laborautomatisierung sowie im Bereich Health adaptieren. 

Am 31. August 2023 findet an der OST in Rapperswil die Swiss Automation 2023 statt. Was werden die Besucher dort zu hören und zu sehen bekommen? 
Grätzer: Es finden zwei Symposien zu den Themenbereichen Lab Automation sowie Robotics and Industrial Automation statt. Unsere treuen Besucher schätzen den Mix der Ausstellung, den Vorträgen und die unzähligen Möglichkeiten zu tiefen technischen Fachgesprächen und den Erfahrungsaustausch. Näheres findet man auf unserer Website ost.ch/swissautomation.

Das Schwerpunktthema der Veranstaltung lautet «Efficiency in Automation». Wie konkret lässt sich die Automatisierung effizienter gestalten? 
Grätzer:
Da gibt es sehr viele Möglich­keiten. Das beginnt bei energieeffizienten Systemen mit dem Ziel höherer Produktivität pro Kilowatt. Beispielsweise verdrängen elektrische Antriebe immer mehr die Pneumatik. Zusätzlich können neuartige Prozesse die Aufgaben anders und somit schneller oder günstiger lösen. 

Wen adressieren Sie mit der Swiss Automation 2023? 
Grätzer: Unsere Besucher sind sehr technisch orientiert und suchen Beispiele und Anregungen. Sie wollen die Potenziale neuer Technologien erkennen und Adaptionsmöglichkeiten erörtern. Dazu ist das Gespräch mit denjenigen, die auf dem neuen Weg schon ein Stück gegangen sind, ein hervorragendes und effizientes Mittel.

Erlauben Sie mir eine heikle Frage?  
Grätzer:
Aber natürlich. 

Parallel zur Swiss Automation 2023 findet in Zürich das 21. Swissmem Symposium statt. Auch wenn sich die Zielgruppe nicht zu 100 Prozent überschneidet, gibt es bestimmt einen gewissen Personenkreis, der sehr gerne an beiden Veranstaltungen teilgenommen hätte. Gab es denn keine Alternativtermine, und wie werden Sie künftig planen? 
Grätzer: Eine wunderschön gelegene Lokalität wie der Campus in Rapperswil muss frühzeitig reserviert werden, da kann es schon mal zu Überschneidungen kommen. Wer die Programme vergleicht, stellt fest, dass es lediglich eine Überschneidung gibt. Da wird es am Folgetag einiges zu diskutieren geben.

Joachim Vogl