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Technische Rundschau

Smartflyer entwickelt Hybridflugzeug

Rolf Stuber und sein Spezialisten-Team der Smartflyer AG wollen die Gemeinde Grenchen zur Keimzelle für die elektrische Luftfahrt machen. Was dazu beitragen soll, ist dort gerade in einer Werkhalle im Entstehen: ein neues Flugzeug mit einem innovativen Antrieb – ein Hybridflugzeug.

Grenchen im Kanton Solothurn war schon immer ein Ort der Innovationen. Die Uhrenindustrie ist allgegenwärtig – hier wurde die allseits bekannte Swatch entwickelt. Dass die Zeit reif ist für eine effiziente, leise und saubere Luftfahrt, beschäftigte Rolf Stuber schon lange. Angesichts des Klimawandels und dem Zuviel an CO2 in der Atmosphäre drehten sich seine Gedanken immer intensiver um ein neues Antriebskonzept für Flugzeuge und – wenn schon, denn schon – rundherum eine Neukonstruktion.

Nicht bei der Idee belassen

Der Kapitän bei Swiss beliess es nicht beim Denken. Es folgte das Handeln. Stuber suchte nach Lieferanten, Partnern für die Entwicklung und beschäftigte sich mit dem Aufbau eines Teams aus Experten und Enthusiasten für das umweltfreundliche Fliegen. Zentrum der Keimzelle, die eine neue Ära in der Luftfahrt einläuten soll, ist ein ganz gewöhnliches Haus in Grenchen. Ganz unspektakulär reiht es sich in die Häuserreihe ein. Drei grössere Räume nebst einem Büro, das sind die Räumlichkeiten der Smartflyer AG. 2016 von Rolf Stuber gegründet, gehören ihr heute 13 Experten der verschiedensten Spezialgebiete an.

«Unser Innenhof hier war vor Kurzem der Schauplatz eines besonderen Ereignisses», sagt Stuber nicht wenig stolz: «Unser Antriebsstrang hat gezeigt, was er kann.» Der erste grosse Schritt auf dem Weg zum viersitzigen Hochdecker mit Hybridantrieb, der 2023 zum Jungfernflug starten soll, war damit geglückt. Auf was der Firmenchef in der Werkhalle zugeht, sieht beeindruckend aus. Ähnlichkeit mit einem Flugzeug hat es nicht, aber – sieht man einem Automotor an, wie das Auto einmal aussehen wird? Das Herzstück des neu zu konstruierenden Hybridflugzeugs setzt sich zusammen aus einem Verbrennungsmotor, einem Rotax 914, der weit verbreitet ist in der Luftfahrt. Zudem gibt es da einen Yasa Generator nebst Inverter, der den Wechselstrom in Gleichstrom für die über 3000 Batteriezellen umwandelt. Je fünf zu einem Päckchen gebunden, das macht 600 Päckchen in der Batteriebox. Und schliesslich ist da noch der Elektromotor RRP260D von Rolls-Royce, den das Smartflyer-Team im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem Unternehmen im Praxiseinsatz testet.

Effizientes Duo: Verbrennungs- und Elektromotor

Der Verbrennungsmotor hat seinen Platz in der Nase des Flugzeugs und wird bei maximalem Wirkungsgrad die Energie für den Reiseflug zur Verfügung stellen. Die Batterien – in den Flugzeugflügeln – liefern die Energie für Start und Landung, die dank des Elektromotors, der den Propeller antreibt, überaus leise ausfallen. Rolf Stuber ist ganz in seinem Element, wenn er weiter davon erzählt, welche Herausforderung die Regelungstechnik des Antriebs an die Entwickler stellte, und welcher Feinabstimmung die Kopplung von Verbrennungsmotor und Generator bedurfte, um die maximale Effizienz zu erreichen und den CO2-Ausstoss zu minimieren.

«Mit dem Antriebsstrang ist uns der erste Schritt gelungen mit dem Smartflyer eine neue Ära der Luftfahrt einzuläuten», betont Stuber. Der nächste Meilenstein ist nun die optimale Formgebung und Profilierung der Flugzeugzelle. Auf einem überaus fotorealistischen Rendering hat der Flieger der neuen Generation schon Gestalt angenommen: Nase – Flügel – Propeller. Doch hoppla, wo sitzt denn der? Die erstaunte Frage ist Stuber gewohnt. Flugzeuge, die den Propeller wie der Smartflyer hinten auf dem Seitenleitwerk platziert haben, sieht man nicht alle Tage. Auch er sei irritiert gewesen, als er dies vor über zehn Jahren auf der Areo in Friedrichshafen bei einem Elektroflugzeug erstmals entdeckte, gibt Stuber zu. Inzwischen weiss er aber: «Der Platz ist ideal. Aufgrund der Bodenfreiheit können wir einen grösseren Propeller einsetzen, was mit einem besseren Wirkungsgrad einhergeht. Zudem wird dieser laminar angeströmt und der Schub kann ungehindert ablaufen.»

Spezialisten mit Flugbegeisterung

Schon lange vor der Corona-Pandemie hat das Smartflyer-Team seine digitale Zusammenarbeit perfektioniert. Die Aerodynamiker, Elektrotechniker, Softwareentwickler und Strukturingenieure, die das Ziel des umweltfreundlichen Fliegens verfolgen, leben verstreut in der Schweiz. Neben ihrem Engagement bei der Entwicklung des Hybridfliegers gehen sie alle einer anderen Haupttätigkeit nach: Sie arbeiten als Dozenten an Hochschulen, sind Pilot, haben ihr eigenes Ingenieurbüro oder studieren. Den Strukturberechnungen nimmt sich ein Ingenieurbüro aus der Tschechoslowakischen Republik an. Die Kombination aus jung und älter, erfahren und ideenreich macht die Stärke des Teams aus, das die Begeisterung für das Fliegen eint.

«Einmal pro Woche gibt es für alle eine To-do-Liste, und, wenn möglich, treffen wir uns alle drei Monate», erzählt Gildas Höllmüller. Wenn der Konstruktionsdesigner vor Ort in Grenchen ist, sitzt er meist an einem der Computerarbeitsplätze im Büro. Für seine Arbeit setzt er auf Solidworks. Sich in die 3D-CAD-Software einzuarbeiten ist ihm leichtgefallen. «Es ging mit Learning by Doing», erinnert er sich. Die Multifunktionalität des Programms hat ihn überzeugt. Voll parametrisch einfache Teile bis hin zu komplexen Baugruppen modellieren zu können, sei besonders für den Anwender im Flugzeugbau essenziell, erklärt Höllmüller. Aufkommende Fragen konnte er so gut wie immer mittels Videos der in Stuttgart ansässigen DPS Software GmbH klären. Zudem habe sich die Zusammenarbeit mit der in der Schweiz ansässigen DPS Software AG und der Servicehotline als äusserst lohnenswert erwiesen, um bei Problemen aller Art Zeit und Nerven zu sparen.

Tuberk Sezen, Verkaufsleiter der DPS Software AG in der Schweiz, wundert es nicht, dass das Programm so gut ankommt: «Solidworks von Dassault Systèmes ist für die Konstruktion im Bereich des Flugzeugbaus ideal, wo es gilt, komplexe Formen zu verknüpfen.» Für den zweiten Schritt bei Smartflyer, wenn es um die optimale Formgebung der Flugzeugzelle geht, weiss der Aerodynamiker bei Smartflyer, Hans Kandlbauer, besonders auf die Vorzüge von Solidworks Flow Simulation zu verweisen: «Aufgrund der automatischen Netzgeneration mittels rectangular meshing können wir mit diesem Simulationstool Modifikationen schnell durchführen, das ‚What if‘ in der Entwicklung effizient gestalten und erreichen zugleich eine hohe Genauigkeit.» Ein multifunktionales, starkes Werkzeug, bei dem auch noch das Preis-Leistungs-Verhältnis stimme, resümiert Stuber. Für das junge Unternehmen mit seinen hochfliegenden Plänen sind die Finanzen natürlich auch ein wichtiger Punkt. Zum Glück gibt´s Fördergelder des Bundesamts für Zivilluftfahrt. Aber dennoch: Ein Flugzeug bauen, ist teuer.

2023: Cleared for take-off …

Wenn der Smartflyer 2023 zu seinem Jungfernflug startet, wird das Smartflyer-Team keineswegs die Hände in den Schoss legen. «Es geht weiter», betont Rolf Stuber und verrät: «Nach dem Viersitzer wollen wir ein Hybridflugzeug für acht bis zehn Passagiere in die Luft bringen.»

Steckbrief Smartflyer

  • 4-sitziges Reiseflugzeug
  • Reichweite um die 800 km
  • Flugdauer 4 Stunden
  • Reisegeschwindigkeit 220 Stundenkilometer (120 Knoten)
  • Startleistung 160 kW
  • Max. Steigleistung 120 kW
  • Leistung beim Cruise 60 kW
  • Max. Startgewicht 1400 kg (Leergewicht 1000 kg)
  • Antrieb: Rolls-Royce RRP260D, Rotax 914 mit Yasa-Generator

smartflyer.ch
dps-software.ch