chevron_left
chevron_right
Technische Rundschau

«Vergleichbar mit Olympischen Spielen»

Olivier Habegger, Leiter Eventmarketing & Berufsmeisterschaften bei Swissmem.
Bild: Swissmem

Auf der Sindex finden erstmals die IndustrySkills 2023 statt. Diese bieten den Teilnehmenden nicht nur ein unvergessliches Erlebnis, sondern vor allem auch einzigartige Erfahrungen und Kontakte, die prägend für die weitere persönliche und berufliche Entwicklung sind. Die «Technische Rundschau» sprach bereits im Vorfeld mit Olivier Habegger, Leiter Eventmarketing & Berufsmeisterschaften bei Swissmem, über den bevorstehenden Anlass.

Herr Habegger, Sie sind mittlerweile seit über einer Dekade für die Swissmem tätig, seit gut zwei Jahren als Leiter Eventmarketing & Berufsmeisterschaften. Was waren die Highlights in dieser Zeit? Woran erinnern Sie sich gerne? 
Emotional sehr intensiv und ein grosses Highlight waren sicherlich die letzten WorldSkills, die zentral durchgeführt werden konnten. Die Stimmung im Stadium in Kazan vor 40'000 Zuschauerinnen und Zuschauern war phänomenal. Dies umso mehr, da wir Gold, Bronze und ein Diplom gewinnen konnten. Nicht minder erfolgreich waren wir an den vergangenen WorldSkills im Jahr 2022. Diese mussten aufgrund von Covid dezentral durchgeführt werden. Auch da konnten wir mit Gold, Silber und Bronze einen grossen Erfolg erzielen. Bei diesen Weltmeisterschaften hat sich vor allem auch gezeigt, wie engagiert und flexibel unser ganzes Team ist. In kürzester Zeit konnten wir in Bern die internationalen Wettbewerbe für den Beruf Elektroniker/in auf die Beine stellen. Das Organisationsteam, welches in Bern im Einsatz war, aber auch die Kandidaten und Experten im Ausland sind da nochmals über sich hinausgewachsen.

Welche nennenswerten Erfahrungen konnten Sie als Projektleiter für die SwissSkills/WorldSkills sammeln? Was lag Ihnen in diesem Zusammenhang beziehungsweise liegt Ihnen für künftige Projekte und deren Teilnehmer am Herzen? 
Ein grosses Anliegen ist mir, dass wir vielen Lernenden in allen Landesteilen die Möglichkeit bieten können, an den Meisterschaften teilzunehmen. In diesem Jahr haben wir erstmals dezentrale Qualifikationswettbewerbe durchgeführt. Durch diesen neuen Ansatz konnten wir in den einzelnen Berufen zehn bis 15 Prozent mehr Anmeldungen verzeichnen. Darüber hinaus konnten wir erfolgreich ein neues Sponsoringkonzept umsetzen. Dieses erlaubt es uns, die WorldSkills-Missionen dank zusätzlichen Mitteln noch professioneller umzusetzen, von der Selektion der Kandidaten bis hin zur optimalen Vorbereitung auf die WorldSkills.

Eines der grössten Ziele in Ihrer Funktion ist sicherlich, junge Menschen für die Technik zu begeistern. Haben Sie eine ungefähre Vorstellung davon, bei wie vielen Youngsters Ihnen das gelungen ist? 
An den letzten SwissSkills in Bern durften wir über 120'000 Besucherinnen und Besucher begrüssen. Davon waren über die Hälfte Schülerinnen und Schüler. Eine Herzensangelegenheit ist für uns, die Jugendlichen die Welt der Technik erleben zu lassen und sie zu involvieren. So konnten sie pro Tag 1000 bis 1500 Sets zusammenbauen und mit nach Hause nehmen. Die Hands-on-Aktivitäten ergänzen wir jeweils durch die Kommunikation auf Online-Plattformen. 

Weil wir gerade von «Vorstellungen» sprechen: Mit welchen Vorstellungen und mit welchem Vorwissen treten die Teil­nehmer an den Berufsmeisterschaften an?   
An die Qualifikationswettbewerbe für die Schweizermeisterschaften kommen die Lernenden grundsätzlich mit dem Wissen und den Fähigkeiten, die sie im Rahmen der Lehre erworben haben. Wenn es nach den Schweizermeisterschaften dann in Richtung WorldSkills geht, nimmt der Aufwand erheblich zu. Die Berufsathleten trainieren mindestens einen Tag pro Woche konzentriert für die WorldSkills. Zudem erhalten sie ergänzende Unterstützung von Psychologen und nehmen an Team-Events von SwissSkills teil. Ab etwa eineinhalb Monaten vor den Weltmeisterschaften dreht sich alles nur noch um die WorldSkills. Dann sind sie temporär professionelle Berufsathleten. 

Welche Bedeutung haben die Berufsmeisterschaften, was bringen sie den Teilnehmern, inwiefern profitieren Ausbildungsunternehmen davon und was ist der Mehrwert für unser Bildungssystem?  
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer machen fachlich und persönlich eine riesige Entwicklung durch. Sie lernen in dieser Zeit sehr viel, nicht nur als berufliche Fachperson, sondern auch emotional. Für die Kandidaten ist die Teilnahme an einer Schweizer- oder Weltmeisterschaft daher ein wichtiger Schritt in ihrer persönlichen Karriere. Auf Stufe der Ausbildungsunternehmen und des Bildungssystem sind die Meisterschaften eine sehr gute Plattform, um technologisch Neues dazuzulernen und international am Puls der Zeit zu bleiben. Für die Unternehmen kann es zudem auf der Image- aber auch auf der kulturellen Ebene bereichernd sein. Erfolgreiche Athleten können fürs ganze Unternehmen neue Impulse setzen. 

Welche Disziplinen gibt es bei den Berufsmeisterschaften, und wie haben sich diese verändert beziehungsweise werden sich – im Zeitalter von Industrie 4.0 – verändern? 
Wir sind für die Berufe Automatiker/in, Elektroniker/in, Konstrukteur/in sowie  Anlagen- und Apparatebauer/in zuständig. Im vergangenen Jahr durften wir zudem erstmals bei der Disziplin Industrie 4.0 an den WorldSkills teilnehmen – und haben gleich Gold gewonnen.  

Aktuell ist beispielsweise ChatGPT & Co. in aller Munde. Wie begegnen die Berufsmeisterschaften solchen Themen?  
Die meisten Aufgaben in unseren Disziplinen haben einen starken Bezug zur Hardware, da spielen die neuen generativen Sprachmodelle kaum eine Rolle. Bei Programmieraufgaben ist grundsätzlich ein Einfluss denkbar. Das haben wir noch nicht breit diskutiert, werden es aber mit unseren Experten sicherlich reflektieren. 

Das Wissen und Verstehen der Technik ist das eine. Das andere ist, die Technik effizient einzusetzen. Welchen Anteil haben solche Themen bei den Berufsmeisterschaften?  
Die Effizienz ist natürlich ein wichtiger Faktor für die erfolgreiche Teilnahme an Berufsmeisterschaften. Bei den Auf­gaben gibt es jeweils enge Zeitvorgaben. Erfolgreiche Berufsathleten müssen daher effizient arbeiten können und rasch Lösungen entwickeln. Wir sind bei den Meisterschaften sehr umsetzungsorientiert. 

Warum bietet die Sindex vom 5. bis 7. September 2023 in Bern das passende Umfeld für die IndustrySkills?  
An der Sindex sind alle relevanten Technologien und viele unserer Sponsoren und Unterstützer präsent. Sie bietet also ein ideales Umfeld. Ich freue mich, an der wichtigsten Automationsmesse der Schweiz die Leistungsfähigkeit der Berufsbildung zeigen zu können und viele Personen zu treffen. 

Was sind die Erwartungen mit Blick auf die WorldSkills vom 10. bis 15. September 2024 in Lyon, und worauf freuen Sie sich am meisten?  
Wir möchten natürlich mit unseren Athleten aufs Podest. Es ist noch ein langer Weg, und es braucht auch immer etwas Glück, aber ich glaube daran. Es wird sicherlich wieder eine einmalige Erfahrung werden. Unterschiedliche Länder, unterschiedliche Kulturen und dazu die Spannung, die vergleichbar mit Olympischen Spielen ist. Ich kann allen empfehlen, auch mal in Lyon vorbeizuschauen. 

Was geschieht im Zeitraum zwischen der Sindex 2023 und den WorldSkills? 
Nach der Sindex beginnt das intensive Training auf die WorldSkills. Die Athleten müssen nochmals einen Schritt betreffend Kompetenzen und mentaler Stärke machen. Sie werden dabei von fachlichen Experten, aber auch von Psychologen sowie ihrem Unternehmen unterstützt. Die Vorbereitungszeit wird sehr intensiv sein. Es kommen wohl etwa 600 Stunden an fachlicher Vorbereitung zusammen.

Generell gefragt: Wo gibt es Ihrer Meinung nach noch Lücken im Berufsbildungssystem der Schweiz, und wie lassen sich diese schliessen?  
Ein wichtiges Anliegen ist mir das Ansehen der Berufsbildung. Es sollte selbstverständlich sein, dass auch schulisch leistungsstarke Schüler eine Berufslehre absolvieren. Die duale Bildung bietet so viele Möglichkeiten, Kompetenzen zu erwerben und sich persönlich zu entwickeln. Zudem steht auch der Weg an die Hochschulen offen. Für viele Jugend­liche bietet sie so einen Weg, der besser auf sie zugeschnitten ist als eine rein schulische Ausbildung.

Eine letzte Frage: Welche Frage haben Sie in diesem Interview erwartet, die wir Ihnen noch nicht gestellt haben, und wie würde die Antwort darauf lauten? 
Ich hoffe, dass wir mit unseren Meisterschaften auch eine Bereicherung für die Sindex sind und zusätzliche Besucherinnen und Besucher generieren können. Wir haben viele E-Mails mit Einladungen verschickt. Ich denke, die Sindex wird auf jeden Fall einen Besuch wert sein.

Joachim Vogl