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Technische Rundschau

«Werden nachhaltiger, moderner und digitaler»

Nicola R. Tettamanti, CEO der Tecnopinz SA, ist seit Oktober 2022 neuer Verbandspräsident von Swissmechanic. Im Exklusivinterview mit der «Technischen Rundschau» lässt er unter anderem das erste halbe Jahr in seiner neuen Funktion Revue passieren und beschreibt zudem, wie sich der Arbeitgeberverband der KMU in der MEM-Branche weiterentwickeln wird.

Herr Tettamanti, Sie sind bereits seit über zwölf Jahren für die Anliegen der Mitglieder von Swissmechanic tätig – seit acht Jahren als Vorstandsmitglied und seit vergangenem Oktober als neuer Präsident des Arbeitgeberbands der KMU in der MEM-Branche. Was waren die grössten Herausforderungen im ersten halben Jahr in Ihrer neuen Funktion? 
Unser Verband wurde 1939 gegründet. Er setzt sich für die Interessen seiner Mitgliedsfirmen und die Ausbildung in den MEM-Berufen ein. Es ist eine grosse Ehre für mich, Swissmechanic Schweiz präsidieren zu dürfen und unseren Verband zusammen mit den geschätzten Mitgliedern des Vorstandes strategisch erfolgreich für die Zukunft zu positionieren. Die Herausforderung der ersten sechs Monate bestand darin, mich in die föderalistische Struktur des Verbandes zu integrieren, der aus 13 Sektionen besteht, von denen jede ihre eigenen Aktivitäten und ihre eigene Geschichte hat, die es zu kennen und zu verstehen gilt. Ausserdem ist in den vergangenen Jahren deutlich geworden, dass die föderalistische Struktur neue Kommunikations- und Verhaltensmechanismen benötigt, um in einer Zeit der Globalisierung agiler zu sein.

Wie gut ist Ihnen dies in einem sich ständig verändernden Umfeld gelungen? Können Sie hier Beispiele nennen?  
Es sei darauf hingewiesen, dass bereits mein Vorgänger, Roland Goethe, das föderalistische Modell unseres Verbandes und den Wunsch, alle Regionen, aus denen er besteht, bei der Vermittlung unserer politischen und wirtschaftlichen Positionen zu berücksichtigen, hochhielt. Der Zeitdruck wird jedoch immer grösser, es wird immer mehr in kürzerer Zeit verlangt. Wenn wir beispielsweise die Energiefrage betrachten, so hat sich die Situation im Jahr 2022 aufgrund des bewaffneten Konflikts in der Ukraine innerhalb weniger Wochen geändert. Knappheitsfaktoren in Verbindung mit den internationalen Sanktionen, die sofort gegen Russland verhängt wurden, haben die Landschaft der Energieversorgung tiefgreifend verändert. Im Sommer und Herbst 2022 konnten wir dank neuer, sehr schneller Entscheidungswege und einer verbesserten Koordinationsarbeit zwischen den Sektionen und der Geschäftsstelle klare Positionen verfolgen und gegenüber der Öffentlichkeit vertreten. Auch im Bereich der Ausbildung war es zu Beginn dieses Jahres möglich, in kürzester Zeit die Meinungen aller unserer regionalen Sektionen einzuholen. Die Digitalisierung muss die Grundlage für unser künftiges Handeln sein.

Zudem möchten Sie Swissmechanic zum Erfolg führen. An welchem Punkt befinden Sie sich aktuell bei diesen Vorhaben?  
Als Mitglied des Vorstandes von 2014 bis 2022 konnte ich schon in den beiden vorangegangenen Amtsperioden zur Positionierung des Verbandes beitragen. Meiner Meinung nach ist es jedoch wichtig, die eigenen Prioritäten regelmässig zu hinterfragen und an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Im Jahr 2018 sprach niemand über Pandemien, Energieknappheit und bewaffnete Konflikte. Auch der Arbeitskräftemangel war ein relevantes, aber nicht entscheidendes Thema. Heute hat sich das Bild völlig verändert, und wir als Branchenverband der MEM-Industrie müssen deshalb auch eine klare Vision der Prioritäten und Positionen vermitteln, die wir für die Zukunft unserer Branche vertreten wollen. In den ersten sechs Monaten meiner Amtszeit haben wir an einer Vision gearbeitet, die wir in den kommenden Monaten kommunizieren werden.

Wo sehen Sie den grössten politischen Hebel, um den KMU der MEM-Branche weiterhin ein effektives Wirtschaften zu ermöglichen beziehungsweise zu erleichtern? 
Die Basis des Erfolgs der Schweizer Industrie ist die Kompetenz und der pragmatische, unternehmerische Weitblick unserer Mitgliedsfirmen. Wenn unsere Industrie heute wieder mehr als 327 000 Arbeitsplätze geschaffen hat und einen wichtigen Teil zum Bruttoinlandprodukt beiträgt, so ist dies auch ein Verdienst der guten Rahmenbedingungen und leistungsfähigen Infrastrukturen des Werkplatzes Schweiz, die unternehmerische Freiheit und Flexibilität zulassen. Es ist wichtig, dass auch in Zukunft die Voraussetzungen geschaffen werden, um Unternehmen schlank und ohne unnötige Bürokratie führen zu können. Wir sind stolz darauf, dass die MEM-Branche auch eine Quelle für viele Lösungen für Probleme ist, die die Gesellschaft zutiefst betreffen, zum Beispiel die Energiewende. Und deshalb ist es wichtig, dass die Politik anerkennt, dass die Herstellung von Produkten und Lösungen, die weltweit exportiert werden, eine der Säulen des Erfolgs unseres Landes ist.

Gemeinsam mit Ihrem Bruder Claudio Tettamanti leiten Sie die Tecnopinz SA in Mezzovico, die Spannzangen sowie hochpräzise, kundenspezifische mechanische Komponenten herstellt und damit 35 Länder aus aller Welt beliefert. Wie lässt sich die Doppelbelastung, wenn ich sie so nennen darf, als CEO und Verbandspräsident vereinen?  
Ich habe das Glück, seit über 15 Jahren mit meinem Bruder Claudio zusammenzuarbeiten, und gemeinsam konnten wir 2010 die Eigentümerschaft und operative Leitung des Unternehmens übernehmen. In den vergangenen zwölf Jahren hat ein intensiver Neuerungsprozess stattgefunden, der es uns ermöglicht, über alle relevanten Daten und Systeme zu verfügen. Aus diesem Grund ist der Vorsitz des Verbandes nach einem achtjährigen Engagement im Vorstand in einen Prozess eingebunden, der bekannt ist und sich im Laufe der Zeit etabliert hat. Im Moment beträgt die Zeit, die ich dem Verband widme, mehr als 30 Prozent meiner gesamten Arbeitszeit. Aber sie ist über die Woche verteilt und richtet sich nach den vorrangigen Dossiers. Da ich seit 15 Jahren die kaufmännische Seite unseres Unternehmens leite, bin ich es gewohnt, mit wechselnden Prioritäten konfrontiert zu sein, und dies ist für die Leitung eines Verbandes von der Grösse von Swissmechanic sicher ein Vorteil.

Die operative Führung von Swissmechanic obliegt Ihrem Kollegen Jürg Marti. Wie dürfen wir uns die Zusammenarbeit mit ihm konkret vorstellen? Bei welchen aktuellen und für den Verband entscheidenden Themen sind Sie einer Meinung und wo gibt es Diskussionsbedarf?   
Wie bei jedem Verband von gewisser Bedeutung ist die Rolle der administrativen und operativen Führung entscheidend. Bei Swissmechanic ist dies nicht anders: Der Vorstand von Swissmechanic Schweiz, der sich aus Unternehmern aus allen Sprachregionen des Landes zusammensetzt, engagiert sich milizartig im strategischen Teil, indem er die Prioritäten und Aktivitäten kurz- und langfristig definiert. Dr. Marti, der bereits mehrere Jahre mit meinem Vorgänger zusammengearbeitet hat, verfügt über viel Erfahrung in der Führung grosser Organisationen, sodass die Erwartungen der Sektionen und des Verbandsrates professionell und schnell aufgefangen und umgesetzt werden. Als Präsident ist es für mich sehr wichtig, auf eine dynamische und reaktionsschnelle Geschäftsstelle zählen zu können, die unsere strategischen Ziele in operative Massnahmen umsetzt. Glück­licherweise haben Dr. Marti und ich eine gemeinsame Vision vom Industriestandort Schweiz, und die Zusammenarbeit ist sehr kollegial. 

Wie wird sich die MEM-Branche Ihrer Meinung nach weiter­entwickeln?  
Das Interessanteste in den vergangenen Jahren, was ich auch persönlich in meiner Karriere erlebt habe, ist zu erkennen, wie sich der Industriesektor immer mehr von den Stereotypen des letzten Jahrhunderts entfernt, in dem Industrie mit schweren Maschinen und mit Werkstätten, in denen es wenig Licht und viel Staub gab, verbunden war. Heute ist die Schweizer Industrie zu einem echten Hightech-Sektor geworden – auch aufgrund der Notwendigkeit, immer auf der Höhe der Zeit zu sein, um mit anderen Ländern konkurrieren zu können. Bei meinen Besuchen von Mitgliedsfirmen und Messen konnte ich feststellen, dass die MEM-Industrie immer nachhaltiger, moderner und digitaler wird. Ich glaube, dass dieser Trend unseren Markt in den nächsten Jahrzehnten prägen wird.

Joachim Vogl