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Technische Rundschau

Industrieroboter in der Additiven Fertigung

Der Einsatz von Industrierobotern bietet für die Additiven Fertigung zusätzliche Einsatzmöglichkeiten, unter anderem werden räumliche Freiformgeometrien in grösserem Massstab ohne Stützstrukturen möglich. Das 9. Praxisforum 3D-Druck am 3. November 2022 an der Hochschule Landshut bot Einblicke in innovative AF-Verfahren unter Einsatz von Industrierobotern und ihr Potenzial für die Industrie.

Veranstaltungsinitiator Norbert Babel freute sich, nach über zwei Jahren wieder ein Praxisforum 3D-Druck in Präsenz an der Hochschule Landshut durchführen zu können und dabei mehr als 50 Teilnehmer, die von DE-Darmstadt über DE-Dresden bis AT-Kärnten angereist waren - begrüssen zu dürfen. Die Hochschule Landshut befasse sich seit Jahren intensiv mit dem Thema 3D-Druck und biete hierzu seit 2021 auch den Bachelor-Studiengang «Additive Fertigung – Werkstoffe, Entwicklung und Leichtbau» an, betonte Vizepräsident Marcus Jautze in seinem Grusswort. Besonders der Einsatz von Industrierobotern in der Additiven Fertigung zeige die technologische Entwicklung in diesem Bereich und umso wichtiger sei der Austausch zwischen Forschung und Industrie, den das Praxisforum 3D-Druck ideal erfülle. So könnten neue Ideen, Kontakte und Netzwerke für gemeinsame Projekte zwischen Industrie und Forschungseinrichtungen geschaffen werden. 

Anwendungsbeispiele aus der Praxis 

Grundsätzlich sei der Robotereinsatz in der Additiven Fertigung nicht neu, da erste Veröffentlichungen ins Jahr 2016 zurückreichen, doch komme die Technologie erst jetzt langsam in der Industrie an, erläuterte Babel in seiner Einführung. Herkömmliche AF-Systeme seien sehr kostengünstig, der Druck erfordere aber häufig Stützstrukturen, die teilweise kostenaufwendig entfernt werden müssen und eine Oberflächennachbearbeitung nötig machen. Mit dem Einsatz von Industrierobotern, meist 6-8-achsige Systeme, die räumliche Freiformgeometrien ohne Stützstrukturen ermöglichen, würden Kosten, Zeit und Material gespart. 

Das Potenzial sei enorm, dies gerade auch durch die Kombination von additiven und subtraktiven Werkzeugen sowie die Verwendung von automatischen Greiferwechselsystemen, welche zusätzliche Montageoperationen und die Entwicklung von flexiblen Fertigungszelle ermöglichen. Die Zahl der Anwendungsbeispiele sei gross und reiche von der Architektur, zum Beispiel gedruckte Tiny-Häuser und Brücken, bis hin zum Druck eines grossformatigen Weinfasses (Ø 2,5 × 2,6 m, 300 kg) aus Metall mit Hilfe des WAAM-Verfahrens. Als Herausforderung sieht Babel momentan die zu programmierenden Algorithmen, die die automatische Generierung der Drucker-Bahnen vornehmen und die auch bei den vielachsigen Industrierobotersystemen aus mehreren Industrierobotern zusammen mit Schwenkkipptischen keine Singularitäten und keine Kollisionen erzeugen dürfen. 

Kostensparende Direktextrusion 

Mit Anwendungen der robotischen Direktextrusion befassten sich Ann-Kathrin Mahr (Hans Weber Maschinenfabrik GmbH, DE-Kronach) in einem Vortrag, bevor Franz Maidl (Leichtbau- und Technologiezentrum BMW Group Werk Landshut) aktuelle Anwendungsfelder für diese Technologie und deren Umsetzung bei der BMW Group skizzierte. Die Hans Weber Maschinenfabrik entwirft und fertigt Direktextrusionsanlagen, unter anderem auch für Industrieroboter, die Automatisierung-, Robotertechnik und künstliche Intelligenz verbinden und die Vorteile des 3D-Drucks nutzen, erläuterte Mahr. Es werde auch beim Spritzguss verwendetes Kunststoffgranulat aufgeschmolzen, auch recycelte Materialien könnten verwendet, und mit unterschiedlichen Extrudern verschiedene Ausstossleistungen von bis zu 20 kg/h realisiert werden. 

Das im Vordergrund stehende Ziel laute, schon bei der Konstruktion die Bahnplanung so gut wie möglich zu berücksichtigen, um den Druck dann softwareunterstützt optimiert durchführen zu können. Die Temperaturführung stelle bei grossen Bauräumen allerdings eine Herausforderung dar. Zusätzlich verursachen manche Rezyklate gegenüber üblichem Granulat Probleme. Eine integrierte Schmelzpumpe und verbesserte Beheizungsmöglichkeiten im System könnten aber Abhilfe leisten.

Einen Blick aus der Praxis warf Franz Maidl auf die robotischen Direktextrusion. Auch er sieht hohes Potenzial für diese Technologie, die sich durch eine hohe Austragsleistung bei niedrigen Investitions- und Materialkosten auszeichne. Gegenüber dem Spritzguss könne die Additive Fertigung bis zu einigen tausend Einheiten pro Jahr wesentlich effizienter und kostengünstiger sein, da die Werkzeugkosten und Entwicklungszeiten entfallen. Durch die Verwendung von Granulat seien die Materialkosten auch um ein Vielfaches niedriger als beispielsweise bei der Verwendung von Material in Filamentform. 

Gedruckte Greifervorrichtung

Es könnten komplexe Bauteilgeometrien im 3D-Freiform-Druck realisiert werden, die mit klassischen Herstellverfahren nicht möglich seien. Auch multiplanare Ansätze könnten realisiert und dabei sogar das Material während eines Baujobs gewechselt werden. Durch einen Dreh-Kipp-Tisch sei man zusätzlich in der Lage, unterschiedliche Orientierungen oder Winkel beim Faserverbund abzulegen. Auch könne man in einer Zelle additiv und subtraktiv, entweder mit zwei Industrierobotern oder durch Werkzeugwechsel arbeiten. Zum Abschluss präsentierte er einige BMW-Praxisbeispiele für die robotische Direktextrusion: Gedruckt wurden beispielsweise Greifervorrichtungen für Roboter bei der die Herstellung von CFK-Dächern für einen BMW X7, die in der Lage sind, das etwa zwei Quadratmeter grosse Bauteil zu handhaben.

Mehr dazu ist einer einer der folgenden Print-Ausgaben der «Technischen Rundschau» zu lesen.  

Das 3D-Praxisforum zeigte wieder einmal, dass trotz der speziellen Thematik, ein sehr grosses Interesse von einem zum Teil von weit her angereisten und sehr fachspezifischen Publikum bestand, das den Vortragenden interessante Fragen stellte und zu anregenden Diskussionen beitrug. Darüber hinaus konnten neue Kontakte geknüpft und der eingangs erwähnte Netzwerkgedanke erfolgreich umgesetzt werden. Babel freut sich schon auf die Veranstaltung im nächsten Jahr, dem nunmehr 10. Praxisforum 3D-Druck, zu der er in seiner abschliessenden Zusammenfassung einlud, und auch gleich das neue Thema: «Entwicklungen im 3D-Metalldruck» bekannt gab.

haw-landshut.de