6. Mai 2025

Nanomaterialien unter Spannung

Forschende der Empa und der ETH Zürich entwickeln ein elektromechanisches System, das Nanomaterialien unter mechanische Spannung setzen kann. Dies könnte elektronische Komponenten mit neuartigen Eigenschaften für Anwendungen in verschiedenen Quantentechnologien ermöglichen, etwa in der Informatik, Kommunikation, Sensorik und Energieumwandung. Für Videoaufnahmen des bewegten Systems hat der Empa-Forscher Peter Lendway nun den ersten Platz beim SNF-Wettbewerb für wissenschaftliche Bilder in der Kategorie «Video» erhalten.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Bild: Empa
Mit dem blossem Auge nicht sichtbar: Auf dem schwarzen Chip im Zentrum, der gerade einmal 1x1 Zentimeter gross ist, befinden sich 54 einzelne elektromechanische Systeme.

200 Nanometer weit bewegt sich der Silicium-Kamm, bevor er von der eingebauten Feder wieder in seine Ursprungsposition zurückgeschoben wird. Diese Bewegung lässt sich weder von blossem Auge noch mit einem Lichtmikroskop erkennen. Um sie abzulichten, hat Peter Lendway, ein Doktorand am Empa-Labor «Transport at Nanoscale Interfaces» und an der ETH Zürich, ein Rasterelektronenmikroskop verwendet. Für die entstandene Videoaufnahmen hat der Forscher beim SNF-Wettbewerb für wissenschaftliche Bilder nun den ersten Preis in der Kategorie «Video» erhalten.

Elektrostatischer Kammantrieb

OLYMPUS DIGITAL CAMERA
Bild: Empa

Peter Lendway installiert den Chip mit den elektromechanischen Systemen im Rasterelektronenmikroskop an der Empa.

Lendway entwickelt einen Silicium-Aktor, der Bewegungen von wenigen Nanometern erzeugen kann. Erreicht wird dies durch einen elektrostatischen Kammantrieb, der durch mehrere eingebauten Federn in der Schwebe und in Position gehalten wird. Bei den Strukturen im Video handelt es sich um ein sogenanntes elektromechanisches System, das ähnlich wie ein herkömmlicher Elektromotor elektrische Signale in mechanische Bewegung umwandelt.

Anders als Motoren, die primär zur Kraftübertragung dienen, werden miniaturisierte Versionen der elektromechanischen Systeme häufig als hochpräzise Sensoren eingesetzt – etwa in Fahrzeugen zur Messung von Beschleunigung, Drehung oder Lage. Ihre Stärke liegt weniger in der Erzeugung grosser Bewegung, sondern in der Kontrolle und Erfassung kleinster Veränderungen. Lendways System arbeitet dabei mit Bewegungen am unteren Limit des Machbaren, mit einer Präzision und Kontrolle bis hin zu einzelnen Nanometern. Damit will der Forscher Quantenmaterialien wie Graphen, Graphen-Nanobänder (GNRs) und Kohlenstoffnanoröhren (CNTs) unter mechanische Spannung setzen.

Quantenmaterialien kontrolliert verformen

«Berechnungen und Simulationen der theoretischen Physik zeigen, dass diese kohlenstoffbasierten Nanomaterialien unter mechanischer Spannung neuartige elektronische, optische und mechanische Eigenschaften erhalten könnten», erklärt Lendway. «Allerdings ist es bisher kaum jemandem gelungen, diese Effekte experimentell – insbesondere unter kryogenen Bedingungen – nachzuweisen. Gerade Messungen bei sehr tiefen Temperaturen sind jedoch eine Voraussetzung für die meisten Anwendungen in der Quantentechnologie.» Wenige Nanometer grosse Quantenmaterialien kontrolliert zu verformen, ohne sie zu beschädigen, und dabei gleichzeitig auch noch ihre Eigenschaften zu messen – keine einfache Aufgabe. Im Rahmen seines Doktorats am Departement Informationstechnologie und Elektrotechnik (D-ITET) der ETH Zürich erarbeitet Lendway eine Plattform, die das ermöglichen soll. Seine Arbeit wird vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) sowie vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) unterstützt.

Präzisionsarbeit

Das System im Video ist eines von mehreren Systemen, die Lendway für verschiedene Arten von Nanomaterialien entwickelt hat. Alle Systeme verwenden einen elektrostatischen Aktor, bei dem Kondensatoren in mehreren Reihen kammartig angeordnet werden. Zwei dieser kammartigen Strukturen greifen dabei ineinander, ohne sich zu berühren. An einem der Kämme wird eine Spannung angelegt – im Video als dunkle Verfärbung sichtbar. Der geladene und der nicht geladene Kamm ziehen sich dadurch gegenseitig an. An einem Ende des Aktors sorgt ein Stopper dafür, dass die Bewegung nicht mehr als 200 Nanometer beträgt. Eine Feder rückt den Kammaktor wieder in die Ursprungsposition zurück, sobald die Spannung reduziert wird. Das System im Video ist dafür ausgelegt, einzelne Moleküle zu kontaktieren. Dafür befindet sich am linken Ende eine feine Brücke aus Gold, die unter Zug atomar scharfe Elektroden bildet.

Herstellung im Reinraum

Die hochpräzise Fertigung der winzigen elektromechanischen Systeme ist herausfordernd. Ein einzelnes Staubkorn, ein Haar – und das System ist ausser Betrieb. Daher stellt Lendway die elektromechanischen Winzlinge im Reinraum am «Binnig and Rohrer Nanotechnology Center» (BRNC) der IBM, ETH Zürich und Empa in Rüschlikon her. Anschliessend werden sie unter Schutzatmosphäre an die Empa transportiert, um die Experimente durchzuführen. Rund zehn Tage dauert die Produktion eines Chips, auf dem zwischen 54 und 74 derartiger Systeme Platz haben.

Komponenten im Nanobereich

Noch ist Lendways Projekt nicht abgeschlossen. «Wir konnten erfolgreich verschiedene Plattformen entwickeln, die jeweils für ein anderes Nanomaterial geeignet sind. Jetzt beginnen wir damit, ihre Eigenschaften zu erforschen», sagt der Forscher. Die Erkenntnisse aus dem Projekt könnten einst zur Entwicklung von elektronischen Komponenten im Nanobereich mit neuen Eigenschaften beitragen. Dies würde Möglichkeiten für verschiedene quantentechnologische Anwendungen und für eine effizientere Energienutzung eröffnen und uns dabei helfen, Materialien auf fundamentaler Ebene besser zu verstehen.

empa.ch