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Vorteile KI-basierter Anomalieerkennung

Industrielle Prozesse und Maschinen müssen vorhersehbar und präzise agieren. Anomalien, das heisst unerwartete Muster in Sensordaten, können auf Probleme, beispielsweise fehlerhafte Komponenten oder Sensoren, hindeuten. Eine KI-basierte Anomalieerkennung hilft laut MathWorks Ingenieuren, potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen, anhand dessen die Wartungspläne zu optimieren und auf diese Weise die Effizienz der Prozesse zu steigern.

Früher verliessen sich Ingenieure und Techniker auf manuelle Dateninspektionen oder automatisierte Alarme, wenn Sensorwerte die definierten Schwellenwerte überschritten. Allerdings können Ingenieure nicht Tausende von Sensoren gleichzeitig analysieren –  dadurch können ihnen Anomalien entgehen, die komplexe versteckte Muster über zahlreiche Sensoren hinweg bilden. Aufgrund der zunehmenden Komplexität der Maschinen in modernen Fabriken reichen traditionelle Methoden zur Anomalie­erkennung also nicht mehr aus. Angesichts dieser Herausforderungen nutzen Ingenieure in der Fertigungsbranche heute KI, um den Umfang und die Genauigkeit der Anomalieerkennung zu verbessern. KI-Algorithmen können mit riesigen Datenmengen von Tausenden von Sensoren trainiert werden, um komplexe Anomalien festzustellen, die das menschliche Auge allein nicht erkennen kann. Durch eine Kombination des Datenumfangs, den KI analysieren kann, und der kontextbezogenen Fachkenntnisse von Ingenieuren können fertigende Unternehmen eine umfassende Lösung zur Anomalieerkennung entwickeln.

Entwicklung einer KI-basierten Lösung

Die Entwicklung einer KI-basierten Lösung für die Anomalieerkennung ist von der Planung über die Datenerfassung bis hin zur Bereitstellung und Integration ein umfangreicher Prozess. Um eine Lösung zu entwickeln, mit der potenzielle Probleme effektiv identifiziert werden können, benötigen Ingenieure ein tiefgreifendes Verständnis der Algorithmenentwicklung sowie der Betriebsumgebung.

Der Prozess der Entwicklung eines KI-basierten Systems zur Anomalieerkennung beginnt mit der Definition des Problems. Hierbei müssen die verfügbaren Sensordaten, die Komponenten oder Prozesse sowie die Arten der Anomalien, die auftreten könnten, bewertet werden. Für Unternehmen, die gerade erst mit dem Einsatz von KI beginnen, ist es wichtig, mit einer Machbarkeitsstudie von begrenztem Umfang anzufangen, deren Erfolg dem Unternehmen einen deutlichen Nutzen bringt, bevor sie mit grösseren Initiativen fortfahren. Daten in hoher Qualität sind von entscheidender Bedeutung für KI-Systeme. Ingenieure müssen daher zuerst definieren, was eine Anomalie darstellt und unter welchen Bedingungen Daten als anormal kategorisiert werden. Die Datenerfassung umfasst den Einsatz von Sensoren zur kontinuierlichen Überwachung von Anlagen und Prozessen sowie manuelle Kontrollen zur Gewährleistung der Datengenauigkeit.

Die meisten Daten für die industrielle Anomalieerkennung stammen von Sensoren, die Zeitreihendaten wie Temperatur, Druck, Vibration, Spannung und weitere Werte erfassen, die im Laufe der Zeit gesammelt werden. Ebenso können zugehörige Werte enthalten sein, beispielsweise Umgebungsdaten, Wartungsprotokolle und betriebliche Parameter. Der erste Schritt bei der Entwicklung eines Algorithmus zur Anomalieerkennung besteht in der Sortierung und Vorverarbeitung dieser Daten, damit sie sich für Analysen eignen. Dies umfasst die Neuformatierung und Neustrukturierung der Daten, die Extraktion von Datenanteilen, die für das Problem relevant sind, die Handhabung fehlender Werte sowie das Entfernen von Ausreissern. Der nächste Schritt besteht in der Auswahl einer Technik zur Erkennung von Anomalien. Hierfür müssen die Eigenschaften der Daten, die Art der Anomalien sowie die verfügbaren Rechenressourcen bewertet werden.

Modellauswahl und Training

Es ist wichtig, mit verschiedenen Trainingsansätzen für ein KI-Modell zu experimentieren, um die optimale Lösung für einen bestimmten Datensatz zu ermitteln. Auf übergeordneter Ebene können KI-Techniken je nach Art der verfüg­baren Daten in überwachte und nicht überwachte Lernansätze unterteilt werden.

Überwachtes Lernen oder Supervised Learning wird für die Anomalieerkennung herangezogen, wenn Teile der historischen Daten eindeutig als normal oder anormal gekennzeichnet werden können. Die entsprechende Kennzeichnung der Daten wird oftmals manuell von Ingenieuren vorgenommen und mit Wartungsprotokollen oder historischen Beobachtungen abgeglichen. Durch das Training auf diesem gekennzeichneten Datensatz lernt das überwachte Lernmodell die Beziehungen zwischen den Mustern in den Daten und ihren entsprechenden Kennzeichnungen. Tools wie der «Classification Learner» in Matlab unterstützen Ingenieure beim gleichzeitigen Experimentieren mit mehreren Machine-Learning-Methoden, um festzustellen, welches Modell die beste Leistung erzielt. Das trainierte Modell kann dann prognostizieren, ob eine neue Menge von Sensordaten normal oder anormal ist. Auf diese Weise gelang es beispielsweise Mondi Gronau, potenzielle Ausfälle von Maschinen für die Kunststofffertigung zu prognostizieren.

Viele Unternehmen verfügen nicht über gekennzeichnete anormale Daten, die für einen überwachten Lernansatz benötigt werden. Dies kann daran liegen, dass anormale Daten nicht archiviert wurden oder dass Anomalien für einen grossen Trainingsdatensatz nicht oft genug auftreten. Wenn die meisten oder alle Trainingsdaten normal sind, wird nicht überwachtes Lernen für das Modelltraining genutzt. Bei einem nicht überwachten Lernansatz (Unsupervised Learning) wird das Modell so trainiert, dass es die Eigenschaften normaler Daten versteht, und alle neuen Daten, die ausserhalb des Normbereichs liegen, als anormal kennzeichnet. Nicht überwachte Modelle können Sensordaten analysieren, um ungewöhnliche Muster zu identifizieren, die auf ein Problem hindeuten können, auch wenn diese Art von Fehler nie zuvor aufgetreten ist oder gekennzeichnet wurde.

Obwohl manche KI-Modelle mit Rohdaten von Sensoren trainiert werden, ist es oftmals effektiver, vor dem Training nützliche Merkmale aus den Daten zu extrahieren. Dieser Prozess wird als Merkmalserkundung und -extraktion beziehungsweise Feature Engineering bezeichnet. Beim Feature Engineering werden nützliche Anteile aus Rohdaten extrahiert, wodurch KI-Modelle effizienter aus den zugrundeliegenden Mustern lernen können. Erfahrene Ingenieure kennen möglicherweise bereits die Arten von wichtigen Merkmalen, die aus den Sensordaten extrahiert werden sollten. Interaktive Tools für die Extraktion und Einstufung der relevantesten Merkmale in einem Datensatz können sie unterstützen, um die Leistung überwachter und nicht überwachter KI-Modelle zu verbessern.

Manche Arten von Daten, zum Beispiel Bilder oder Text, profitieren von Deep-Learning-Ansätzen, die Muster automatisch und ohne den Bedarf an einer expliziten Merkmalsextraktion extrahieren können. So kombinierte beispielsweise Imcorp Zeitreihen und bildbasierte Anomalieerkennung, um mithilfe von Deep Learning Störungen in unterirdischen Stromkabeln zu identifizieren. Solche Deep-Learning-Ansätze sind zwar leistungsstark, verlangen aber auch nach grösseren Trainingsdatensätzen und mehr Rechenressourcen.

Validierung und Tests

Durch Validierung und Tests wird die Zuverlässigkeit und Robustheit von KI-Modellen gewährleistet. In der Regel teilen Ingenieure die Daten in drei Teilmengen auf: Trainings-, Validierungs- und Testdatensätze. Die Trainings- und Validierungsdaten werden zur Feinabstimmung der Modellparameter während der Trainingsphase und die Testdaten nach dem Modelltraining zur Bestimmung ihrer Leistung mit unbekannten Daten verwendet. Darüber hinaus können Ingenieure das Modell anhand von Leistungsmetriken bewerten, beispielsweise Genauigkeit und Trefferquote, und mithilfe einer Feinabstimmung so die Anforderungen des konkreten Anomalieerkennungsproblems erfüllen.

Bereitstellung und Integration

Ein trainiertes und getestetes Modell entfaltet seinen Nutzen, wenn es im Betrieb eingesetzt wird und anhand von neuen Daten Vorhersagen trifft. Bei der Auswahl einer geeigneten Einsatzumgebung für die Bereitstellung berücksichtigen Ingenieure Faktoren wie Computing-Anforderungen, Latenzzeit und Skalierbarkeit. Die Einsatzfelder reichen von Edge-Geräten, die sich nahe am Fertigungsprozess befinden, bis hin zu lokalen Servern und Cloud-Plattformen mit nahezu unbegrenzter Rechenleistung, aber auch höherer Latenz. So stellt beispielsweise Aerzen Digital Systems eine integrierte, cloudbasierte Lösung zur Anomalieerkennung bereit, die Probleme in kritischen industriellen Anlagen, zum Beispiel Abwasserbehandlungsanlagen, erkennt.

Die Integration der Anomalieerkennung erfordert den Einsatz von APIs, um auf die Vorhersagen des Modells zuzugreifen und Daten-Pipelines zu bilden. Letztere gewährleisten, dass das Modell korrekt formatierte und vorverarbeitete Eingaben erhält. Auf diese Weise ist gesichert, dass das Modell mit anderen Komponenten der Anwendung beziehungsweise des Systems zusammenarbeitet und seinen vollen Nutzen erzielt.

Fazit

Die KI-basierte Anomalieerkennung ist ein bedeutender Fortschritt bei dem Versuch, Effizienz und Kostenwirksamkeit in der Fertigung zu steigern. In Kombination mit dem Know-how von Ingenieuren und den jüngsten technologischen Errungenschaften ermöglicht KI fertigenden Unternehmen, das Auftreten von Störungen erheblich zu verringern, Wartungspläne zu optimieren und die allgemeine Produktivität zu verbessern.

Die Integration von KI in Fertigungsprozesse ist zwar ein komplexes Unterfangen, doch die potenziellen Vorteile im Hinblick auf Effizienz, Kosteneinsparungen und Wettbewerbsvorteile sind enorm. Im Rahmen der Weiterentwicklung der Industrie wird KI daher eine immer wichtigere Rolle bei der Förderung von Innovationen und der Erzielung eines erstklassigen Betriebs spielen. 

Philipp Wallner, Industry Manager EMEA, MathWorks

MathWorks ist auf der «SPS – Smart Production Solutions», die vom 12. bis 14. November in DE-Nürnberg stattfindet, in Halle 6, Stand 215 präsent. Weitere Informationen dazu finden sich hier.

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